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Morgenfeier 2017 in Thielle


Jedes Jahr im Sommer findet im Freien eine ökumenische Morgenfeier statt. Es gibt Musik, man singt, und ein Pfarrer/ eine Pfarrerin gestaltet die Feier. Für mich war es immer etwas Besonderes, dass dort viele nackte Menschen die Grösse Gottes feiern, manchmal sogar der Geistliche nackt erschien. Paradiesischer kann es nicht sein :-)

Im Jahr 2017 hielt Gabriela die Morgenfeier.

Zentrale Sätze für mich: „Gott inkarniert sich im Menschen – einmal, oder eben: immer, in jedem Menschen. Das Reich Gottes – des Friedens, der Gerechtigkeit, der Fülle des Lebens für alle – verwirklicht sich demnach ganz natürlich durch jeden einzelnen Menschen und darin, wie wir miteinander umgehen und Gemeinschaft schaffen.“

Im Anschluss sagte mir ein alter Thieller: Ich bin vor dreissig Jahren aus der Kirche ausgetreten. Hätte ich damals eine solche Predigt gehört, wäre das wohl nicht passiert.

Rolando

Auszüge aus der Feier und aus der Predigt:

Mit den Klängen des Posaunenchors und den Worten eines neuen Kirchenlieds begrüssen wir euch ganz herzlich zu dieser Morgenfeier, liebe Thiellerinnen und Thieller.

Viele Menschen gestalten diese Feier: die Thieller Bläserinnen und Bläser unter Sandras Leitung, der Thieller Chor unter Rebeccas Leitung und Anna Barbara mit Geige und Bratsche. Tensing unterstützt uns technisch.

Wir feiern in ökumenischem, weitem Geiste – mein Name ist Gabriela, ich arbeite in meinem Leben ausserhalb Thielles als Pfarrerin in einer reformierten Kirchgemeinde. Damit alle mich verstehen, spreche ich heute hochdeutsch…

Und nicht zuletzt lebt die Feier mit und durch euch alle, die ihr da seid und mitfeiert.

….

Wie nehmen wir denn Gott – die Kraft alles Lebendigen – wahr? Wo und wann erfahren wir Göttliches? Gibt es Momente, in denen dies einfacher möglich ist – zum Beispiel, wenn wir in der Natur sind?

Und die für mich anschliessende Frage: wie sprechen wir über das, was wir erleben? Wie finden wir Sprache, um mit anderen das Erlebte zu teilen?

In dieser Feier werde ich keine klassische Predigt halten – mit einer ausführlichen Auslegung eines biblischen Textes. Ich möchte euch vielmehr einladen, mit meinen Gedanken den vorher genannten Fragen nachzugehen… euren eigenen Begegnungen mit göttlicher Kraft…

Liebe Thiellerinnen und Thieller

Wo erfahren wir die Kraft des Göttlichen?

Ich glaube, wir haben hier in Thielle grosses Glück.

Wir leben hier – auf Zeit – im Paradies. Das ist natürlich sehr nahe am Göttlichen, dem Urzustand der ungetrennten Existenz des Menschen mit der Schöpfung und der Schöpferkraft.

Vielleicht kommen wir hier diesem Zustand wieder etwas näher…

Ja, in der Natur ist es für viele von uns irgendwie natürlich, uns zu verbinden mit Gott – der Schöpferkraft.

Wir spüren die Elemente, Wasser, Erde, Luft, Feuer - Hitze – und erahnen in all dem etwas vom Grossen, das in all dem wirkt. Etwas vom Geheimnisvollen, das uns bewegt, wenn wir uns darauf einlassen.

Wenn wir uns im See treiben lassen…

Wenn wir unter einem Baum liegen, dem Rauschen der Blätter lauschen…

Wenn wir am See sitzen und den Schwänen und Enten zuschauen…

Wenn wir den Sonnenuntergang geniessen…

Wenn sich – wie aus dem Nichts – ein Regenbogen über uns aufspannt…

Und….

Ach mein Gott, wie wunderbar, nimmt dich meine Seele wahr…

In all den Natur-Erlebnissen nehmen wir die Kraft Gottes wahr, können wir eine Verbindung spüren, die uns umfängt. Denn wir sind ja Natur. Sind Teil der Schöpfung und damit auch Teil der Schöpferkraft… Da gibt es keine fixen Grenzen zwischen Mensch – Tier – Pflanze, da sind wir alle Leben - wir spüren, dass wir Leben sind, das leben will, inmitten von Leben, das leben will… (A. Schweitzer).

Das spüren wir vielleicht auch darum stärker, weil wir uns hier dem allem so aussetzen, wie wir eigentlich geschaffen sind – ohne Kleider, nackt…

Einander gleich(er), in einer Gemeinschaft von Menschen, denen wir uns verbunden fühlen. Auch in der Verbundenheit, der Liebe können wir etwas spüren von göttlicher Verbundenheit.

Auch ausserhalb von Thielle gibt es viele Orte, an denen wir diese Verbindung spüren können.

Bei den einen ist das zu Hause, im stillen Kämmerlein… Bei den anderen in einer Kirche, einem Kraftort… einem Konzerthaus.

In einer Umarmung, an einem Krankenbett…

Eigentlich überall kann der Ort sein, an welchem wir uns finden lassen können von der umfassenden Kraft.

Vielleicht ist daher die Frage entscheidender, wann wir die Kraft des Göttlichen erfahren. Gibt es Zeiten in unserem Leben, in welchen wir besonders empfänglich, offen sind für solche Begegnungen?

In Zeiten, in denen alles seinen Lauf nimmt, ganz unaufgeregt? In Momenten des Umbruchs? In Situationen der Freude, des Leids? Im Lachen, im Weinen, allein oder mit geliebten Menschen? In der Gewissheit – oder dem Fragen und Anklagen?

In vielen weiteren Texten der Bibel wird von Menschen erzählt, die in Umbruchsituationen Erfahrungen machen mit ewiger Kraft.

Und vielleicht erinnern wir uns auch an solche Situationen, in welchen wir uns so klein zwischen Stühlen und Bänken fühlten - und wir auf einmal neue Orientierung, Halt fanden, einen Weg sahen – was ja etwas von dem ist, was eine Begegnung mit dem Göttlichen bewirkt.

In der Bibel wird auch erzählt von Momenten der Gefahr, Angst und Krankheit, in welcher Menschen Rettung und Heilung, neues Leben erfuhren als Kraft des Göttlichen – in einer bewussten Annahme, dass der Mensch nicht alles vermag, dass ihm und all seinem Wollen Grenzen gesetzt sind.

Neben den Extremen sind es aber auch die ganz alltäglichen, kleinen Momente, in welchen wir auf einmal spüren, dass wir Teil eines grösseren Ganzen sind, dass unser aller Leben sich von der gleichen Quelle speist…

Die einen erfahren diese Momente im täglichen Gebet, der Praxis der Meditation. Andere spüren diese Verbundenheit in der Betrachtung eines Textes – oder in der Betrachtung einer Blume, eines Tieres, eines Kindes, im Staunen.

In der Gestalt Jesu wurde dieser Gedanke des Göttlichen im Menschen radikal weitergedacht: Gott selber ist Mensch geworden. Gott inkarniert sich im Menschen – einmal, oder eben: immer, in jedem Menschen. Das Reich Gottes – des Friedens, der Gerechtigkeit, der Fülle des Lebens für alle – verwirklicht sich demnach ganz natürlich durch jeden einzelnen Menschen und darin, wie wir miteinander umgehen und Gemeinschaft schaffen. (Es ist wie mit dem Senfbaum aus dem Gleichnis: der Samen ist winzig klein, aber daraus wächst ein grosser Baum, der den Vögeln des Himmels Heimat ist.) Im Kleinen, Unscheinbaren liegt eine grosse Kraft!

Staunend und damit offen durch die Welt gehen – und erfahren, dass sich etwas ereignen kann – vielleicht gerade auch dann, wenn wir es nicht erwarten, und anders, als wir es erwarten.

(So wie Elia Gott nicht im Sturm erlebt oder im wütenden Feuer, wie er es sich vorstellt– sondern im leisen Säuseln des Windes, so wie Jesus die Geistkraft sieht in Gestalt der Taube…

Dann, wenn wir es nicht erwarten, anders, als wir es denken… )

Dieser Gedanke ist für mich ganz zentral: Nie lässt sich göttliches Wirken abschliessend erfassen und erklären. Es ist immer grösser und anders, als wir Menschen denken und begreifen.

Abschliessende Gewissheiten sind nicht möglich – und auch nicht das, worum es geht. Vertrauen, Glauben lebt gerade davon, dass es immer auch ganz anders sein könnte.

Was heisst das für unser Sprechen von unseren Erfahrungen mit dem Göttlichen? Es heisst, dies eigentlich immer unter dem Vorbehalt zu tun: dass es auch ganz anders sein kann.

Die Bibel und andere Schriften bieten eine Fülle von Bildern, die davon erzählen, wie das Göttliche erfahren wurde. Einige davon gefallen uns, andere sind uns fremd:

Licht – Mutter – Vater – Quelle des Lebens – eine feste Burg, Hirte oder König, Schöpferin, Adler, ein Baby, erfahrbar in der Begleitung durch Engel…

die Fülle kann uns helfen, unsere eigenen Bilder zu finden, für eine Erfahrung, die ja über das hinausgeht, was wir mit Worten ausdrücken können, die sich der Sprache entzieht, weil sie auf einer nicht-verbalen Ebene geschieht. Die Sprachbilder - aus unserem Alltag - versuchen, sich an dieser elementaren, körperlichen Ebene anzuhängen und so die Erfahrung vermittelbar zu machen.

Wahrscheinlich erleben wir Gott ganz unterschiedlich… je nachdem, wo und wann. Dadurch haben sich auch unsere Bilder des Göttlichen im Laufe des Lebens verändert – und verändern sich weiter. Indem wir unsere Erfahrungen teilen, erleben wir, wie unterschiedlich sie sind – und eben -gleichwertig. Es ist diese Fülle, in jedem und jeder von uns und in unserer gemeinsamen Geschichte, die uns einlädt – uns einzugeben mit unseren Erfahrungsbildern, unseren ganz eigenen farbigen Gottes-Beziehungsfäden, sie einzuknüpfen in das grosse Ganze. Staunend, offen für all das, was uns und unsere Welt erfüllt mit Frieden, Gerechtigkeit und Liebe. AMEN.

Der Friede soll mit euch sein, Brüder und Schwestern, bis wir uns wiedersehen…

Mit diesem Wunsch, den wir einander mitgeben auf unseren Weg und dem abschliessenden Segen gehen wir auseinander…

Zurück ins bewegte Thieller Leben, das uns immer wieder einlädt, uns selber wahrzunehmen – als Menschen, eingebunden in die Gemeinschaft mit anderen Geschöpfen und Gott, der Schöpferkraft…

Erde und Himmel verbunden…

Gabriela


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